Na und?

Na und?

„Carte blan­che“ der Volksstimme vom 18. Mai 2021

Neulich war ich in der «Volksstimme». Mit Foto, interviewt vom stellvertretenden Chefredaktor persönlich. Eine ganze Seite! Nun wird sich vielleicht die eine oder der andere fragen: «Na und? Wen kümmert das schon? Wer hat das überhaupt bemerkt? Wer liest heutzutage noch einen so langen Text?»

Auf das Risiko hin, dass meine erste «Carte blanche» von der Redaktion zugleich zu meiner letzten gemacht wird, wage ich doch die Behauptung, dass sich die Zeiten auch in dieser Beziehung geändert haben. Wenn früher die «Volksstimme» – die Zeitung für das Oberbaselbiet – für die Information und Meinungsbildung im Oberbaselbiet entscheidend war, ist heute die Zeitung generell einer von vielen Kommunikationskanälen und die «Volksstimme» im Speziellen eine von noch viel mehr Informationsquellen. Aber nicht nur die regionalen Medien haben Konkurrenz zu ihrer Informations- und Deutungshoheit erhalten.
 

Informationen überall verfügbar 

Die Zeiten sind vorbei, bei denen man voraussetzen konnte, dass der grösste Teil der Bevölkerung am Mittag für die SRF- Nachrichten vor dem Radiogerät sitzt und hört, was man alles Wichtiges über das Geschehen in der Schweiz und der weiten Welt wissen muss. Vorbei sind auch die Zeiten, bei denen spätestens um 20 Uhr nach der Hauptausgabe der «Tagesschau» alle von ziemlich jung bis ziemlich alt wieder auf dem gleichen Informationsstand sind und wissen, wo auf der Welt welcher Krieg ausgebrochen ist, welcher Bundesrat ins Ausland reist und in welcher Aufstellung unsere Fussball-Nati das WM-Ausscheidungsspiel bestreiten wird.
 

Na und? Wen kümmert das schon?

Nun wird sich auch an dieser Stelle vermutlich der eine oder die andere fragen: «Na und? Wen kümmert das schon?» Mir fällt zunehmend auf, dass sich nicht nur junge Leute über ihren Medienkonsum etwa so äussern: «Radio höre ich schon lange nicht mehr; ich habe ja meine Playlist auf dem Smartphone. Mit den wichtigen Informationen melden sich meine News-Ticker. Fernsehen war gestern. Die spannendsten Serien und die Filme, die man nicht verpassen darf, hole ich mir bei Netflix und anderen. Für was soll ich mir eine Zeitung abonnieren oder am Kiosk kaufen? Wenn ich Lust auf Zeitung habe, schnappe ich mir am Bahnhof oder am Arbeitsplatz eine Gratiszeitung. Will ich mich wirklich informieren, habe ich meine vertrauten Youtube-Kanäle und die verschiedenen Influencer, denen ich in den Sozialen Medien folge und die mir sagen, was Sache ist.»
 

Wem nützt die Carte blanche?

Warum und für wen nutze ich dann überhaupt diese «Carte blanche»? Weil ich mir nicht einbilde, dass dieser Text hier mit den medialen Lautsprechern konkurrieren kann und muss. Weil ich aber denke, dass diese Zeitung immer noch eine interessierte Leserschaft hat. Weil ich auch darauf vertraue, dass einige Leserinnen und Leser mir in diesem Text bis hierhin folgen werden. Einzelne davon werden sich vielleicht über die verlorene Zeit ärgern. Für andere aber war es eine Begegnung. Eine jener Begegnungen, zu denen es leider in der jüngsten Zeit im wirklichen Leben zu wenig kam, auf die wir aber wieder hoffen können.

 

In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.