Gemeinsam, getrennt oder doch geteilt?

Gemeinsam, getrennt oder doch geteilt?

Seit Jahres hängt das Damoklesschwert der sogenannten Heiratsstrafe in der Luft, wenn Paare überlegen, wie sie ihre gemeinsame Zukunft gestalten wollen. In der Schweiz wird unter Heiratsstrafe verstanden, wenn Paare, die verheiratet oder in eingetragener Partnerschaft leben, im Vergleich zu Konkubinatspaaren aufgrund des Zivilstandes finanziell schlechter gestellt sind. Dies ist bei der Bundessteuer der Fall. Aufgrund eines Bundesgerichtsentscheides von 1984 dürfen die Kantone die Ehepaare nicht stärker belasten. Bei einer Differenz von mehr als 10 Prozent liege eine Diskriminierung vor. Daher passten die Kantone ihre Gesetze an, der Bund jedoch nicht.

Individualbesteuerung oder Splitting?

Bei gemeinsam besteuerten Paaren wird das Einkommen zusammengerechnet. Aufgrund der progressiv ausgestalteten Steuersätze kann dies bei den Vorgenannten zu höheren Steuertarifen führen als bei zwei Einzelpersonen. Die Benachteiligung ist grösser, je gleichmässiger die Einkommensaufteilung der beiden Partner ist. Bisherige versuche, diese Ungerechtigkeiten abzubauen scheiterten. Derzeit kommt mit der laufenden Unterschriftensammlung zur Volksinitiative zur Individualbesteuerung wieder mehr Schwung in die Debatte. Die Individualbesteuerung setzt auf einen einzigen Tarif, der bei allen natürlichen Steuerpflichtigen unabhängig vom Zivilstand zur Anwendung kommt. Eine weitere Möglichkeit ist das im Kanton Baselland angewendete Splitting (engl. für Teilung). Dabei wird das gemeinsame Einkommen zum halben Gesamteinkommen besteuert. Das Splitting-Modell scheint mir vorteilhafter. Es berücksichtigt z.B. das Haushaltseinkommen unabhängig von der Aufteilung der Arbeitspensen. Zudem löst die Individualbesteuerung auf mehreren Ebenen einen riesigen bürokratischen Aufwand aus. So oder so: Ich begrüsse die einsetzende Debatte und freue mich, wenn wir hier endlich mehr Gerechtigkeit erreichen.  

Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich

Zum Schluss kann ich es nicht verkneifen, eine ebenso zum Titel passende Abstimmungsbotschaft zu platzieren. Nicht inhaltlicher, sondern formaler Natur. Mit Sorge beobachte ich eine schleichende Verrohung der Diskussionskultur. Positionen werden als wie sturer bezogen, heftiger verteidigt und Angriffe auf Gegner gröber. Verbal wird bis mit Mord gedroht, Sachbeschädigungen nehmen eklatante Ausmasse an. Aktuell spalten einige Vorlagen weniger links und rechts, eher Verbände, Parteien und Berufsgruppen. Ich dachte, dies führe zur Erkenntnis, dass man trotz gemeinsamen Werten und Zielen über den Weg dazu geteilter Meinung sein kann. Doch scheint das immer seltener der Fall. Beliebter wird ein über das spezifische Thema hin gepflegtes Feindbild à la «wer hier nicht für mich ist, ist gesamthaft gegen mich». Ich hoffe sehr, dass sich aktuell überhitzte Gemüter nach dem Sonntag wieder abkühlen. Und so appelliere ich an uns alle, trotz allfällig unterschiedlich eingelegten Parolen weiter gemeinsam an Familien-, Pausen- und Stammtische zu sitzen und gegenseitige Horizonterweiterungen zuzulassen, um an einer gemeinsamen, nicht getrennten Zukunft zu bauen.

Andrea Heger, Gemeindepräsidentin und Landrätin EVP, Hölstein