Ein Armutszeugnis für die Schweiz

Ein Armutszeugnis für die Schweiz

Laut Bundesamt für Statistik leben über eine halbe Million Menschen in der Schweiz in Armut, und dies im reichsten Land der Welt! „…dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen“.

So steht es in der Präambel der Bundesverfassung. Artikel 12 der Bundesverfassung definiert das Recht auf Hilfe wie folgt: „Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe und Betreuung und auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.“ Die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) dienen als Orientierungsrahmen. Momentan gerät die Sozialhilfe immer stärker unter Druck, obwohl schon jetzt der ausbezahlte Grundbedarf den Lebensunterhalt von kleinen Haushalten nicht deckt. Und einige Kantone nahmen noch Kürzungen bei der Sozialhilfe vor. Zusätzlich geraten die Krankenkassen-Prämienverbilligungen unter Druck.

Die Zahl der Armutsbetroffenen ist von 7 auf 7,5 % gestiegen. Unser Land ist laut Bundesverfassung verpflichtet, armen Menschen zu helfen. In einem Fünfjahresplan stellte der Bundesrat 2014 neun Millionen Franken zur Verfügung, um die Armut zu bekämpfen und Prävention zu betreiben. Bund, Kantone, Gemeinden, Städte, Sozialpartner und Nichtregierungsorganisationen sollten dieses Programm umsetzen. Nun ist ein 60-seitiger Bericht erschienen. In diesem stellt der Bundesrat fest, dass sich die Massnahmen bewährt haben. Trotzdem will er aber nur noch 2,5 Millionen Franken zur Verfügung stellen mit der Begründung, dass die Verantwortung für die Prävention gegen die Armut bei den Kantonen, Städten und Gemeinden liegt. Gerade dort herrscht aber oft die Meinung, Armut sei selbstverschuldet und die Menschen seien selbstverantwortlich für ihre Situation. Sicher empfinden dies viele arme Menschen als eine zynische Unterstellung. Die Armut ist kein marginales Problem, sondern die grösste sozialpolitische Herausforderung. Was ist zu tun?

- Gefordert sind verstärkte Anstrengungen bei der Armutsprävention mittels der Förderung von Bildungschancen sowie der sozialen und beruflichen Integration.

- Armutsbetroffene Familien sollten Ergänzungsleistungen erhalten wie sie in ein paar wenigen Kantonen eingeführt wurden.

- Working poor sollten mehr Lohn erhalten.

- Langzeitarbeitslose sollten in Sozialfirmen Beschäftigungsmöglichkeiten finden.

- Hilfe zur Selbsthilfe sowie vermehrte Angebote von Schuldenberatung würden bestimmt die Armut reduzieren.

- Und eine Fachstelle ‚Armutsbekämpfung‘ auf nationaler Ebene wäre eine Unterstützung für die Kantone und würde einheitlichere Regelungen gewährleisten.

 

Margrit Wälti, Co-Präsidentin EVP Bezirk Andelfingen