Milizpolitik – woher kommst du – wohin gehst du?

Milizpolitik – woher kommst du – wohin gehst du?

«Und bei genauem Hinsehen ahnt man: Hinter der Verteidigung des Milizsystems steht eigentlich der unerschütterliche Glaube an die Kraft des Gewurstels»

Dieser Satz aus der Zeitschrift «Die Zeit» hat mich amüsiert und zugleich auch nachdenklich gestimmt. Per Definition ist Miliz (lat. Militia) ein Ausdruck aus dem Kriegswesen und ist eigentlich die Bezeichnung für Bürgerwehr, bzw. Volksheer im Gegensatz zum Begriff «Berufsheer». Ein Blick in die weitere Vergangenheit zeigt uns, dass die Milizarbeit, ob gänzlich ehrenamtlich oder entschädigt, eine lange Tradition hat. Es schien grundsätzlich Ehre und Pflicht, sobald man stimmberechtigt war, sich im Verein, für die Gemeinde oder die Gemeinschaft zu engagieren.

Heute hat diese «Volksaufgabe» sich nicht nur gewandelt, sondern einen zusätzlichen Touch erhalten. Frau und Mann engagiert sich, wenn überhaupt, vermehrt im Zusammenhang mit Ideologien, Haltungen und Gruppierungen. Was zur Folge hat, dass die ganz «banalen» Ämter in Gemeinden und Vereinen eher als nicht so erstrebenswerte Aufgabe erscheinen. Auch die Ehre aus der Vergangenheit ein solches Amt inne zu haben, ist verdunstet und einer erhöhten Kritikbereitschaft gewichen. Zudem sind die Menschen in unseren Breitegraden aus verschiedenen Gründen vermehrt mit sich selber beschäftigt. Ich möchte keinesfalls moralisieren oder jammern, ich beobachte die Entwicklung.

In der legislativen Politik hat sich, meiner Wahrnehmung nach, der Trend entwickelt, durch Hyperaktivität auf sich aufmerksam zu machen und mit Interpellationen und Motionen eine wahre Bearbeitungsflut in die Executive zu spülen, was mitverantwortlich zu sein scheint, die Politik unnötig träge und teuer zu machen. Es lebe der Dauer-Wahlkampf!

Zeitgleich nennt sich ein immer grösser werdender Anteil Bevölkerung «unpolitisch», was ich grundsätzlich als legitim erachte, sich jedoch in der Meinungsbildung, sprich in den Stimm- und Wahlbeteiligungen sowie den Resultaten niederschlägt. Soviel zum Privileg in einer Demokratie zu leben.

So wird die Milizpolitik immer öfter in Frage gestellt. Unabhängigkeit von Lobby und Partei!? Kann man Politik wirklich gänzlich «professionalisieren»?  

Die Milizarbeit beinhaltet in meinen Augen mehr als ein Neben- oder Ehrenamt im Sinne der gemeinnützigen Arbeit. Sie weist auf die Identität hin, die – falls verinnerlicht – eine der wichtigsten Stützen unserer schweizerischen politischen Kultur darstellt. Das Milizprinzip ist bis heute nachhaltig in der politischen Kultur der Schweiz verankert und eng mit der direkten Demokratie verknüpft.

Trotzdem wäre meines Erachtens dringend zu beachten: Weniger ist mehr!  Vermehrt gründlich überlegen und recherchieren, bevor Aktionen gestartet werden, die einen riesigen Aufwand in der Bearbeitung und minimalen, wenn überhaupt, Effekt, für die Bevölkerung haben. Wie zum Beispiel eine Befragung der Mitglieder, der seit diesem Jahr neu gestarteten "Versorgungsregionen Alter" über den bisherigen Verlauf und die Erreichung der gesetzlichen Ziele, in dem gerade mal 20 Tage alten Jahr…

 

 

Carte Blanche, Volksstimme vom 21. Januar 2021

Charlotte Gaugler, Gemein­de­prä­si­den­tin, EVP, Lampenberg